Wenn einer eine Reise tut! Oder: Shit Happens
- metzgabriele
- 30. März
- 7 Min. Lesezeit

Eigentlich wollte ich euch von unserer letzten Etappe in Florida und von der Ankunft in Sweet Home Alabama erzählen.
Kann ich auch, hier aber nur die Kurzversion, denn es gibt Wichtigeres zum Thema "shit happens" zu berichten.
Wir wollten zum Abschluss noch Floridas Cedar Key mit den legendären Waterfront-Bars einen Besuch abstatten und dort ein paar Tage verweilen. Unglaublich aber wahr: Ein Hurrikan hatte hier vor Kurzem sein Unwesen getrieben und Vieles zerstört. Und es ist ein Teil der Waterfront abgebrannt.
Wir machten gleich wieder kehrt und landeten auf Empfehlung einer Kellnerin am Campground Shell Mound. Die Shell Mounds solltet ihr hier nachlesen, denn das ist wahrlich reichlich interessant! Ich sage nur eines: Amerikanische Ureinwohner haben hier reale Berge aus Milliarden von Muscheln angelegt.
Sturm & mehr
Was uns dort erwartete war zwar auch die Besichtigung dieser archäologischen Stätte, zusätzlich aber eine Sturmwarnung mit ausgewiesener Tornadogefahr.
Gut, der Tornado blieb zum Glück aus. Dafür aber regnete es so sehr, dass unser MEMO kurzer Hand im Schlamm versank. "Shit Happens - Klappe die Erste"

Michael wusste, was zu tun war. Schaufeln und Sandbleche unterlegen. Es gab nur 1 Chance, die nicht verspielt werden durfte. Sonst hätten wir einen Schlepp-LKW benötigt.
Als endlich die Sonne wieder durchkam, fuhren wir schnurstracks nach Bermingham, Alabama, um unseren Freund aus Pfadfinderei-Zeiten, Robert, und seine kleine, aber right now wachsende Familie zu besuchen. In wenigen Wochen erwartet der erstgeborene Matthias eine kleine Schwester :)
Sweet Alabama begrüßt Reisende tatsächlich gebührend:

Zwei wunderschöne Tage
Und dann verbrachten wir 2 wirklich wunderschöne Tage mit Robert, seiner Frau Alevtina und Söhnchen Matthias! Michael hat diese Tage auf Facebook so schön beschrieben, dem möchte ich gar nichts mehr hinzufügen außer einem hochoffiziellen sehr herzlichen DANKESCHÖN an Robert! Ich weiß schon, lieber Robert, Pfadfinder und Pfadfinderinnen helfen einander immer und die Graz 5er halten sowieso zusammen ;) ABER es ist trotzdem nicht selbstverständlich, derart freundschaftlich aufgenommen zu werden.
Vor allem, wenn "Shit Happens"!
"Klappe die Zweite"
Nach der Abfahrt von Birmingham passierte das, was sich niemand wünscht:
Auf der Interstate 65 gab unser Truck plötzlich ein ganz fürchterliches Geräusch von sich, das Michael später mit dem Gebrüll vieler Katzen verglich. Da wurden wir gerade von einem Wohnwagen überholt und ich höre mich sagen: "Hoffentlich ist das bei ihm!" Aber schon war klar, dass dem nicht so war! Der Wohnwagen war weg, das Gequietsche noch da und Michael konnte MEMO gerade noch auf den Pannenstreifen lenken, ehe nichts mehr ging - das Getriebe blockierte.
Michael sagte nur "das sieht nach einem kapitalen Getriebeschaden aus" und "aus der Traum".
Wir befanden uns auf einer stark befahrenen Interstate, Trucks zogen an uns vorbei, dass dir sprichwörtlich "Hören und Sehen" zu vergehen drohen. Alle, die die amerikanischen Trucks kennen, wissen, wovon ich rede! Und es regnete ... Das ist der berühmte Moment, in dem man und frau sich wünscht, es möge sich bitte, bitte, bitte um eine (Alb-)Traum handeln. Aber es war kein Albtraum. Michael kletterte unter den Truck, konnte aber nichts Offensichtliches feststellen. Er stieg wieder hinter´s Steuer und versuchte kurz und vorsichtig, ob das Fahrzeug sich vielleicht doch irgendwie bewegen ließe. Fehlanzeige! Es war klar, dass wir hier nicht aus eigenem Antrieb weg kämen, sondern einen Abschleppdienst brauchen würden. Michael begann sofort die Kardanwellen auszubauen, um die Blockade zu lösen, damit wir überhaupt erst abgeschleppt werden konnten. Dazu benötigte er Werkzeuge ausgerechnet aus den Staufächern, die sich auf der Fahrbahnseite befinden. Sooo breit sind die amerikanischen Pannenstreifen dann auch wieder nicht, dass man da entspannt Seitenfächer öffnen und Zeugs rausräumen kann. Ich "verbot" Michael, sich auf diese gefährliche Seite zu begeben, solange ich nicht voll und ganz für ihn da sei. Was hieß, ich rief unseren lieben Robert an! Vor wenigen Stunden hatte er bei der Verabschiedung noch gemeint, wir dürften uns immer melden, wenn wir etwas bräuchten :)
Ich erzählte von der Misere und er nahm sich sofort der Organisation eines Abschleppwagens an. Das war sooo hilfreich!
Ich passte also auf Michael auf - klingt komisch, ist es auch! Aber ich wollte es mir nicht nehmen lassen, Trucks, die uns vielleicht nicht wahr nahmen, auf uns aufmerksam zu machen ... Stichwort Auffahrunfall usw. Aber ich muss sagen, alle wichen superbrav aus!
Nach 45 Minuten war der Abschlepp-Truck da! Was für eine Erleichterung!
Wir wurden zum nächsten Trucker Parking Lot "Creek Travel Plaza" unweit des beschaulichen Städchens Atmore, gebracht.
Da standen wir nun.
Ich muss gestehen, ich hatte eine Riesenangst. Würden wir das Vehikel wieder zum Laufen bringen? Wenn nicht, wie bekämen wir es wieder nach Hause? Hunderte Kilometer schleppen ist keine Option. Da kannst du einen Kredit aufnehmen!
Es war bedrückend.
Ich weiß, dass aktuelle Blogberichte über genau solche Situationen spannend sind, weil sie die Leserinnen und Leser so richtig mitleben lassen können. Und ich hätte mir auch gern alles gleich von der Seele geschrieben. Aber haltet mich gerne für "a bisserl schwach", aber ich habe alle Kraft gebraucht, um bei Laune zu bleiben, "stark" zu sein, mit Michael alle Optionen, Gewissheiten und Ungewissheiten sachlich abzuarbeiten, ohne in Tränen auszubrechen. Ich kam mir unglaublich stark vor, hatte aber das Gefühl jederzeit einen Eimer nehmen zu müssen, um die hunderttausenden Tränen, die sich in mir aufstauten aufzusammeln. Wofür eigentlich? Keine Ahnung ;) Jedenfalls konnte ich mich einfach keinem Blog widmen und ich dachte einen Moment, ich würde sowieso nie wieder bloggen.
Analysieren und Organisieren
Gut, nun ging es wie gesagt ans Analysieren und Organisieren. Michael lag den gesamten nächsten Tag unterm Truck, schraubte und probierte und gewann erste mögliche Erkenntnisse zum Schaden. Es handelt sich wohl nicht um einen "kapitalen" Getriebeschaden, sondern "nur" um ein Problem im Verteilergetriebe.
Alle Menschen, die uns eventuell beistehen, Ideen liefern, helfen könnten, wurden kontaktiert. Peer, der Schwiegervater unserer Tochter, der sehr aktiv war bei der Umsetzung des Hebemechanismus für Reserverad und unser Kleinmotorrad, die Piaggio Liberty, und der auch eine echte Ahnung von diesem Truck hat. Hier nachzulesen: https://www.yes-we-do.at/post/men-work. Er bot sofort an, bei der Organisation von Ersatzteilen zu helfen. Herr Pfleger von der Firma Indutec, die Steyr-Teile liefert, war sehr ermutigend, als er meinte, "ein Verteilergetriebe wird nicht kaputt, da kann es sich nur um defekte Teile desselben handeln". Unser Sohn Martin, der stets mit den berühmten "roten Wangen" dabei war und maßgeblich zur Umsetzung der Elektrik (und das ist richtig viel!) beigetragen hat. Er schickte uns sofort technische Skizzen.
Facebook & sonstige Social Media - wie gut, dass es sie gibt!
Der nächste Schritt war ein ehrliches Posting auf Facebook, wo Michael mit seinen beherzten Berichten einen großen Fanclub aufgebaut hat. Da spielte es sich dann richtig ab! So viele liebe Mitgefühlbekundungen und gute Wünsche! Aber auch viele gute Tipps. Unser Sohn Peter, der NIE etwas auf Facebook macht, hat Michael eine herzerwärmende ermutigende Nachricht geschrieben.
Und Christopher, der uns schon in die tunesische Sahara begleitet hat (nachzulesen unter https://www.yes-we-do.at/blog/categories/sahara ) hat uns den Kontakt zum "besten Steyr-Mechaniker den er kennt" gegeben, was sich als echter Glücksfall entpuppte: Martin aus Tirol ist nicht nur ein Steyr-Kenner, sondern auch noch unglaublich nett!
Und es flatterten immer mehr Skizzen daher, die es Michael möglich machten, den Schadensbereich einzugrenzen.
Klar war allerdings schnell, dass das Verteilergetriebe raus musste, um herauszufínden welche Teile defekt sind und diese dann in Europa zu bestellen. Richtig geraten: In den USA gibt es keine Steyr LKW wie unseren MEMO :( Fest stand auch, dass das nicht ein Mann allein schaffen kann, wiegt das Ding doch 250 kg. Wir machten uns mit unserer Piaggio auf die Suche nach einer Werkstatt - zwei fanden wir. Keine war bereit, sich eines so exotischen Fahrzuges anzunehmen. Am Autobahnparkplatz fand das große Netzwerken statt. Ich erklärte allen unser Problem. Alle waren freundlich und hilfsbereit, wenn auch keiner helfen konnte. Ich erhielt mengenweise Adressen, an die wir uns wenden könnten, "mit den besten Empfehlungen von Mr. X und Mr. Y." Aber auch diese wimmelten ab.
MEMO läuft :o
Michael baute indes die Kardanwellen wieder ein und brachte MEMO in den niedrigen Gängen wieder zum Fahren. Für mich ein Wunder, für ihn Logik ;)
Ich glaube tatsächlich Michael ist ein Genie! Und ich kann mich nur bemühen, ihm das Wasser, ähm, die Schrauben und Werkzeuge zu reichen :)
Und dann kam wieder Robert ins Spiel! Wisst ihr was, so ein Mensch ist mehr wert als jeder Lottogewinn. Er IST der Lottogewinn!
Es sieht jetzt nach 5 Tagen an der Autobahnraststätte so aus, dass wir MEMO´s Verteilergetriebe in Roberts Firma in Tuscaloosa, 180 Meilen von unserem Standort, unserem Zuhause auf Zeit, mit einiger materieller Unterstützung wie einem Hubstapler, ausbauen können. Der Truck kann dann dort stehen, bis die Ersatzteile ankommen und MEMO wieder zusammengeschraubt ist :) Nun stellte sich noch diese Frage:
Können wir in diesen niedrigen Gängen, die nicht mehr als 50 kmh erlauben, aber eh auch gar nicht mehr gehen, 300 Kilometer bis nach Tuscaloosa fahren? Es gibt natürlich keine Garantie, dass das Getriebe das aushält. Auf diese Distanz abschleppen ist außerdem teuer. Aber wie sagt unser Sohn Peter in seiner Facebook-Nachricht: "Keep in mind that 2k€ is nothing compared to how you‘ve worked your ass of all the years in the past."
Wir haben also gestern beschlossen, uns nach Tuscaloosa schleppen zu lassen. Wir wollen aus einem Spargedanken heraus kein Risiko eingehen, das uns letzten Endes vielleicht sogar mehr kostet, als das Abschleppen.
Seit das fix ist, geht es uns besser. Es geht bergauf, es wird wieder! Das sagen eh alle :) Wir haben auch unsere Tochter Elisabeth einen Arbeitsauftrag erteilt: Die Türschnalle des MEMO ist auf der Beifahrerseite defekt. Und da ein neues Teil zuhause herumliegt, möge sie uns das bitte nach Tuscaloosa schicken. Während der Wartezeit auf die anderen Ersatzteile haben wir ganz wunderbar Zeit, diese Türschnalle auszutauschen. Und Elisabeth freut sich riesig, dass sie auch etwas für uns tun kann :)
Es geht wirklich nichts über eine liebe Familie!
Unser froher Mut geht soweit, dass wir gestern mit unserer Liberty eine Ausfahrt nach Atmore in die Wäscherei gemacht haben und anschließend in einem "Kaffeehaus wie daheim" (ja, so etwas gibt es hier in Atmore) Cola und Cappuccino genossen.
Wir haben es hier auf diesem Truck Lot eigentlich gut erwischt!
Es gibt einen Diner, einen tollen Tankstellenshop, wunderschöne Duschen, die eigentlich aussehen wie ein Badezimmer. Alles da, sogar Badetücher. Nach jedem Gast wird geputzt! Und fußläufig erreichen wir einen Dollar General Laden, wo du alles bekommst - sogar eine Wanne für die Aktion "Getriebeöl Checken".
Und wir haben Zeit, interessante Trucks zu bestaunen und zu fotografieren. Hier eine kleine Auswahl:
Noch 1 Nacht
hier zwischen den LKW, die - kein Mensch weiß warum - die ganze Nacht ihre Motoren laufen lassen und uns um einem erholsamen Schlaf bringen, und wir sind dem Recovery unseres MEMO wieder ein Stück näher.
Wie heißt es so schön? Wie isst man einen Elefanten? In kleinen Stücken, Stück für Stück! :D (Zitat Robert)
Haltet uns bitte die Daumen!
Ich halte euch am Laufenden!
Eure Gabriele
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wenn ich über die News berichte!
Tja liebe Leute, so kann‘s kommen!
Ich bin mir sicher, dass ich das nicht verdient habe, aber ehrlich ….. ich wollte immer schon ein Verteilergetriebe zerlegen! 🤦🏻
An dieser Stelle auf jedenfall einen herzlichen Dank an meine liebe Frau Gabriele, die hier noch nicht (ganz) die Nerven verloren hat, und mir in diesen, doch schweren Stunden die Stange (Schraubenschlüsseln) hält, auch einen ganz herzlichen Dank an unsere lieben Kinder, die so lieb Mut zusprechen, und Tipps schicken, auch herzlichen Dank an die vielen Freunde und Freundinnen, die uns hier, und dort, aus allen Ecken der Welt, helfen!
Danke Robert, danke Peer, danke Christopher, danke „Steyrmartin“, danke Lars, danke Doug, danke Sepp Pfleger (Fa. Indutec), danke, danke, danke!
Liebe Grüße an…
Na schau Gabi, es geht langsam aber sicher wieder bergauf, trotz der neuerlichen Demutsübung. Alles Gute Euch beiden, bald seid Ihr wieder unterwegs!👍