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Time goes on

  • metzgabriele
  • 22. Nov. 2023
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Nov. 2023



Nun waren wir wieder mal am Meer angekommen. Weißer Sand und kristallklares türkises Wasser begrüßten uns und luden zu einem letzten Bad im Zuge dieser Reise ein. Nur noch 2 Tage und 2 Nächte trennten uns von der Überfahrt von Tunis nach Genua -und der Heimreise.

Da hieß es, noch so viel wie möglich von "unserem" Tunesien zu inhalieren. Am Abend saßen wir lange am Strand. Dabei fiel uns auf, dass der Meereshorizont hell erleuchtet war. Ein Schiff neben dem anderen reihte sich in eine kilometerlange Lichterkette ein. Großes Rätseln unsererseits. "Was ist denn da draußen los? Das können nie im Leben alles Fischerboote sein!" Wir begannen Schlimmes zu vermuten. War dies Tunesiens Antwort auf die viel zitierte "Flüchtlingskrise"? Sollten die Schiffe die Menschen zurückhalten? Oder sollten sie, einmal an der "Schiffslichterkette" vorbei, nicht mehr zurück gelassen werden? Beides nicht in (unserem) humanitären Sinne! Wie auch immer: Wir empörten uns ob dieser sinnlosen Lichtverschmutzung.


Tags darauf: Google macht uns gescheit - es handelt sich bei der nächtlichen Schiffslichterkette tatsächlich ausschließlich um Fischerboote. Kelibia ist ein wichtiger Fischereihafen mit einem jährlichen Ertrag von 15.000 Tonnen Fisch! Dies seien 15% des gesamten tunesischen Fischfangs, sagt Google. Bei dieser Menge mutet der Hafen von Kelibia wahrlich zierlich an:



Dieser Tag ist nicht nur der Tag der (Fischerei-)Erkenntnis, sondern auch unser letzter in Tunesien. Time goes on! Unsere Reise nahm und nimmt Wendungen an, wie Tunesien in seiner Geschichte. Bis auf die Tatsache, dass es ein Leichtes ist, in Frieden zu reisen, nicht aber in einem Land den Frieden aufrecht zu halten. Doch Tunesien kann Frieden!

Etwas sentimental begaben wir uns mit der Erklimmung der Festung Kelibia auf eine kleine historische Spurensuche. Die Festung stammt, entgegen so mancher Vermutung, nicht aus der Römerzeit, sondern handelt es sich dabei um eine im 16. Jahrhundert errichtete Zitadelle.

Es ist aber erwiesen, dass eine Römersiedlung die Vorgängerin der heutigen Stadt war. Ebenso verhält es sich mit der Festung in Hammamet, unserem nächsten Tagesziel. Die Festung in der sich heute der beliebte Souk von Hammamet befindet, wurde vermutlich im 13. Jahrhundert errichtet. Sie ist im Hintergrund des folgenden Bildes zu sehen.


In Hammamet anzukommen war schon immer mit Wehmut für uns verbunden, weil die Stadt, ob ihrer Nähe zu Tunis, immer auch am Ende unserer Tunesien-Trips angepeilt wird. So auch dieses Mal. Wir tauchten nochmals tief in die tunesische Kultur ein - will heißen: Einkaufen und Einkehren :) Sowohl im Souk, wo sich jene herzerwärmende Story mit der tunesischen Verkäuferin begab (nachzulesen auf der Blogseite "Ich liebe Tunesien") als auch in der belebten Einkaufsstraße gleich ums Eck. Während des Essens in einem Restaurant wurden wir plötzlich an den Hitchcock-Film "Die Vögel" erinnert. Für die jüngere Generation, der der Film aus 1963 wohl nicht bekannt sein dürfte (auch ich war da erst 2 Jahre alt, aber das Movie wurde mehr als nur einmal im TV gezeigt, als ich schon etwas älter war - nicht dass ihr glaubt, ich durfte in diesem zarten Alter schon derartige Filme ansehen :D Ach ja, und da hatten wir ja auch noch kein TV-Gerät :D ), gibt es hier zum Nachlesen einen Link.


Mit lautem Gezwitscher begaben sich tausende Vögel auf die Bäume in Strandnähe, um im nächsten Moment zum Schlafen und Essen Richtung Olivenhaine aufzubrechen. Die Früchte munden vielen Singvögeln, auch unseren Amseln, die sich teils als Zugvögel Richtung Süden begeben.

Ein beeindruckendes Spektakel! Gut dass es diese Vögel nach Tunesien gezogen hat. In Spanien und Portugal fallen wohl Millionen von ihnen einer progressiven Ernte mittels spezieller Maschinen zum Opfer.

 

Nach dem Essen begaben wiederum wir uns auf die Suche nach einem Park- und Schlafplatz und wurden auf Anraten von Christopher, dem jungen Mann, der auf dieser Reise seiner Melissa auf originelle Art und Weise einen Heiratsantrag gemacht hat (siehe Blog "News von uns"), an einem ebenfalls originellen Platz fündig:

Es ist dies der ehemalige Parkplatz einer der Sommerresidenzen des ehemaligen tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali, direkt am Meer und direkt neben der Residenz.

Im Zuge des "Arabischen Frühlings", jenem Aufstand, der 2010 von Tunesien ausgegangen war und sich auf einen großen Teil der arabischen Welt ausweitete, musste Ben Ali die Flucht ergreifen und auch dieses edle Domizil hinter sich lassen. Es wurde in den Jahren darauf von erzürnten Bürgern (und Bürgerinnen?) geplündert, in Brand gesteckt und zerstört.

Ein trauriger Anblick, wenngleich mir die Motivation für diese und viele andere zerstörerischen Aktionen verständlich scheint. Präsident Ben Ali hatte ganz nach französischem Modell Krankenhäuser, Straßen, Eisenbahnlinien, Schulen und Universitäten errichten lassen. Er hatte aber übersehen, zeitgleich Maßnahmen gegen die breite Armut der ländlichen Bevölkerung und Nomaden zu ergreifen, ebenso wie gegen die wachsende Arbeitslosigkeit der nunmehr gut ausgebildeten Bevölkerung. Insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit mündete in ausgeprägte Perspektivlosigkeit. Und das wissen wir mittlerweile: Wenn Menschen keinen Ausweg, keine Möglichkeiten und keine Zukunft sehen, ist dies der Nährboden für Frustration und Wut.

 

Jetzt fragt ihr euch eventuell, aber mit Recht, warum die ländliche Bevölkerung verarmt gewesen war. Nun, Afrikas und somit Tunesiens Geschichte war und ist die Geschichte von Willkür und Ausbeutung. Im 19. Jahrhundert wurde ganz Nordafrika quasi "verscherbelt" an die europäischen Großmächte Frankreich, England, Spanien, Portugal, Italien, die mutwillig Grenzen zogen und zumindest den nomadischen Teil der Bevölkerung somit von seinen (Wander-)Gebieten abschnitten. Tunesien wurde von 1878 bis 1956 zu französischem Protektorat, was einerseits wirtschaftlichen Aufschwung brachte, von dem allerdings andererseits die tunesischen Bevölkerung, die vielfach ihrer Ländereien enteignet worden war, nicht profitieren konnte. Frankreich setzte seine eigenen Leute an die Hebel der Macht und siedelte vielfach seine eigenen Arbeitskräfte in Tunesien an.

 

Mit dem Ende des Protektorats blieben starke wirtschaftliche Bande zu Frankreich bestehen, an die Präsident Ben Ali anknüpfte. Doch oben zitierte Willkür verknüpft mit einem autoritären Führungsstil, wie ihn Ben Ali gelebt hatte, brachten dem Volk niemals nur Gutes.


Heute ist Tunesien das einzige arabische Land, das zumindest den Frieden aufrecht halten kann. Und der Bevölkerung liegt viel daran und sie ist stolz darauf!


Unser "Indiana Jones is calling" - Guide, Faruk, formulierte es so: "Ich fahre niemals mehr woanders hin, schon gar nicht nach Algerien oder in eines der anderen an Tunesien grenzenden Länder! Ich bin glücklich in einem friedlichen Land zu leben! Tunesien ist das beste und schönste Land, das es gibt! Schaut euch um - ist es nicht schön hier?"

Am Bahnhof in Nabeul fand ich das wunderbare Graffiti in der Headline. Und ich poste es für euch an dieser Stelle noch einmal:



Mit dieser Einstellung soll und wird es Tunesien gelingen, friedvoll zu bleiben :)


Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole:

"Ich liebe Tunesien auch! Und seine Menschen!"


Nach diesem kleinen Exkurs in die tunesische Geschichte ein bisschen Spoilern gefällig? Das nächste Mal erlebt ihr mit mir den letzten Tag dieser Reise!



2 comentarios


reeh
22 nov 2023

Interressanter und wichtiger Beitrag! Bitte dranbleiben!

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Invitado
22 nov 2023

Freue mich schon auf den nächsten, leider letzten Beitrag!?!?! Wie auch immer hoffen wir, dass der Blog weitergeführt wird!

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